In einer Gruppe erzeugt die gemeinsame Reaktion der individuellen Nervensysteme den Zustand des kollektiven Nervensystems. Die Wirkung des kollektiven Nervensystems ist größer als die eines einzelnen Nervensystems. 

Kollektives Trauma

Der Begriff „Kollektives Trauma“ beschreibt einfach, dass wir eine Gruppe oder Gemeinschaft betrachten, die eine gemeinsame traumatische Erfahrung erlebt hat. Gruppen können z.B. Familien sein, die Bewohner eines Ortes oder einer Region, religiöse Gemeinschaften oder im Zeitalter von Pandemien und Klimakrise die Erdbevölkerung.
Kollektives Trauma kann aus Einzelereignissen entstehen, wie z.B. Naturkatastrophen, oder aus chronischen Bedrohungen und traumatisierenden Lebensumständen, wie z.B. Krieg, Verfolgung, Rassismus oder Bedrohung durch Terror.

Zeit der Krisen: die Gefahr kollektiver Traumatisierung

In jüngerer Zeit hat sich an der Sicherheit unseres Lebensumfeldes hier etwas verändert. Wir sind mit verschiedenen bedrohlichen Herausforderungen konfrontiert, die durch die Coronakrise, die Klimakrise, die Energiekrise oder den Krieg in der Ukraine entstehen. Wir reagieren darauf als Individuum aber auch als Gesellschaft. Wenn viele Menschen betroffen sind, sprechen wir von kollektivem Stress oder kollektivem Trauma. Anhaltende und/oder existentielle Bedrohungen führen dauerhaft zu einem Anstieg des Basis-Stresspegels, zu Ängsten, zu Burnout und zu verminderter Resilienz, und letztlich zu kollektivem Trauma.

Kollektive Wirkungen

Kollektives Nervensystem

So wie unser individuelles Nervensystem auf eine äußere Situation reagiert, reagieren in einer Gruppe alle Nervensysteme. Die gemeinsame Reaktion der Nervensysteme erzeugt den Zustand des kollektiven Nervensystems. Die Wirkung des kollektiven Nervensystems ist größer als die eines einzelnen Nervensystems.

Sobald wir uns in einer Gruppe befinden oder dieser angehören, reagieren wir mit unserem Nervensystem auf die Befindlichkeit der Gruppe. Dies kann bewusst stattfinden, oft bemerken wir es aber nicht. Wir kennen alle Gruppen, die uns guttun. Mit diesen Menschen fühlen wir uns sicher, wohl und entspannt. Hier ist das kollektive Nervensystem reguliert und in der Balance. In anderen Gruppen fühlen wir uns unwohl und gestresst, weil die Gruppe in einem Stress- oder Traumazustand steckt. Unbewusst nehmen wir dies wahr und dieser Zustand springt auf uns über.

Kollektives Feld und systemischer Effekt

In Gruppen gibt es für jedes Mitglied seine persönliche Erfahrung und zusätzlich sein Erleben, das aus dem Feld der Gruppe entsteht. In unserem Kulturkreis und der westlichen Weltsicht steht heute das Individuum im Vordergrund und das Bewusstsein für Verbundenheit nimmt ab. In vielen spirituellen Traditionen ist es selbstverständlich, dass alles miteinander verbunden ist und wir als Individuum Teil eines systemischen Feldes sind.

Diesen systemischen Effekt haben viele von uns zu Beginn der Corona-Pandemie erlebt: Auch wenn wir uns selbst eigentlich sicher fühlten, konnten wir erleben, wie ein spürbares kollektives Feld von Unsicherheit und Angst entstand, weil das Bedrohungsszenario im Außen immer stärker wurde. Ein kollektives Feld im Traumazustand hat einen starken Sog, wie in einen Traumastrudel.
Auf der anderen Seite kann es eine ganz starke Gegenbewegung im kollektiven Feld auf die Seite des Ressourcen- oder Heilungsstrudels geben. Auch solche Aktionen haben wir in Corona-Zeiten erlebt, z.B. wenn Menschen aus geöffneten Fenstern, von Balkonen und aus Gärten gemeinsam gesungen und dabei eine stärkende Verbundenheit erlebt haben.

Individuelle Bearbeitung von kollektivem Trauma

Traumazustände, die eine kollektive Traumatisierung in uns hinterlassen hat, können wir individuell lösen. Dazu arbeite ich mit Somatic Experiencing®, SOMA Embodiment und EmotionAid®. Jedes Nervensystem, das zu mehr Regulation findet, mindert den Traumazustand im kollektiven Nervensystem. Gerade in Regionen mit andauernden Konflikten und Gewalt kann Stressregulation wirkliche Friedensarbeit bedeuten.

Häufig sind kollektives Trauma und transgenerationales Trauma eng miteinander verwoben, da die Folgen kollektiver Traumatisierung über viele Generationen weitergegeben werden können. Mehr dazu unter Transgenerationales Trauma.

Globale Ansätze zur Heilung von Kollektivem Trauma

Es gibt Menschen, die sich weltweit für die Heilung von Kollektivem Trauma einsetzen und dabei mit großen Gruppen arbeiten.
Zu diesen gehört Thomas Hübl - Mehr Informationen:
Buch: Thomas Hübl (2021) Kollektives Trauma heilen. Persönliche und globale Krisen verstehen und als Chance nutzen. Irisana Verlag
Pocket Project: Restoring a Fragmented World. "The Pocket Project helps to address and integrate individual, ancestral and collective trauma. We aim to heal the wounds from the past, thus shifting humanity towards a path of creativity, effective collaboration and innovation." https://pocketproject.org/
Collective Trauma Summit:  https://collectivetraumasummit.com/
Thomas Hübl Podcast "Point of Relation": https://pointofrelationpodcast.com/episodes/

 

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